Mietschätzung auf dem Prüfstand

Valide Umfelddaten verbessern Aussagen zu Wohnungsmieten.
Der Case

Was darf wohnen eigentlich kosten?

Das Mietniveau in Deutschland steigt unaufhörlich. Insbesondere im städtischen Raum führt das zu einem stärkeren Interesse an der Regulierung des Wohnungsmarktes. Üblicherweise wird das Mietniveau über den Mietspiegel reguliert –  deren konkrete Ausgestaltung sich mitunter allerdings deutlich von Stadt zu Stadt unterscheidet.

 

Mietschätzungsmodelle im Vergleich

Im Rahmen seiner Dissertation an der Westfälischen Wilhems-Universität Münster hat Dr. Christoph Picker daher verschiedene Modelle zur Schätzung von Wohnungsmieten verglichen. Neben den Eigenschaften der Wohnung selbst wurde auch ihre Lage im Stadtgebiet näher untersucht und fand damit besondere Berücksichtigung. Die Zielsetzung der Untersuchung bestand darin, eine möglichst hohe Genauigkeit und Standardisierbarkeit der Mietschätzungen zu erlangen.

Die Herausforderung

Verfügbarkeit feinräumiger Daten

Um den Einfluss der Lage auf die Miete besser bestimmen zu können, ist eine feinräumige und valide Datenbasis Voraussetzung. Umgebungsdaten stehen von amtlicher Seite jedoch häufig lediglich auf Stadtebene zur Verfügung und eignen sich somit nicht zur Erklärung von Mietunterschieden innerhalb einer Stadt. Um aber eine verbesserte Vergleichbarkeit zu erreichen, musste die Lage unter anderem auf der Basis verlässlicher Umgebungsdaten modelliert werden.

 

Basierend auf bisherigen Studien wurden neben der Einwohnerdichte dafür insbesondere Sozialindikatoren wie die Kaufkraft je Einwohner und die Arbeitslosenquote als relevant eingestuft. Weiterhin wurde eine geeignete Basis gesucht, um Gebiete mit vergleichbaren Mietniveaus clustern zu können – Postleitzahlgebiete oder Stadtbezirke erschienen für diesen Anwendungsfall jedoch deutlich zu grob. Da die Studie zehn Großstädte in NRW umfassen sollte, war eine flächendeckende Verfügbarkeit der Umgebungsdaten zusätzlich eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgsversprechenden Einsatz.

Das Anwendungsbeispiel basiert auf der Dissertation von Dr. Christoph Picker, die er mit „summa cum laude“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) abschloss. Die WWU ist mit rund 45.000 Studierenden und rund 280 Studiengängen eine der größten Universitäten in Deutschland, wobei die Wirtschafts-wissenschaftliche Fakultät mit über 5.000 Studierenden zu den größten der 15 Fachbereiche zählt. Interdisziplinäre und anwendungsorientierte Forschung steht für die Fakultät im Fokus der wissenschaftlichen Ausrichtung.

 

Dr. Picker studierte Betriebswirtschaftslehre an der WWU (Münster), der University of Strathclyde (Glasgow) und der Xavier School of Management (Jamshedpur). Sein Promotionsvorhaben setzte er am Lehrstuhl für BWL, insbesondere Controlling, von Prof. Dr. Wolfgang Berens um.

Die Umsetzung

Präzise Daten für präzise Mietpreis-Vergleiche

Für eine breit angelegte Betrachtung, die gleichzeitig zu einer fundierteren Aussage führen sollte, stellte Nexiga der Universität Münster unter anderem Daten zur Einwohnerdichte, Arbeitslosigkeit und Kaufkraft auf Wohnquartiersebene zur Verfügung.

Da auf dieser Ebene die untersuchten Großstädte durchschnittlich mehr als 500 homogene Gebietseinheiten (die sogenannten Wohnquartiere = feinräumige Geometrie der Nexiga) enthielten, konnte auf dieser Basis eine sehr gute Granularität für die Untersuchung sichergestellt werden. Das Format der Daten erlaubte dabei eine problemlose Verknüpfung mit den genutzten Wohnungsdaten sowie weiteren, externen Datenquellen (u. a. Distanzen zu Grund- und weiterführenden Schulen).

Mit Unterstützung der Daten von Nexiga ließen sich so auf Basis der kombinierten Datensätze mit weiteren Informationen verschiedene Modelle zur Mietschätzung umsetzen.

Der Einfluss der Lage auf die Wohnungsmiete konnte damit auf solider Basis untersucht werden. Weiter wurde ein Clusterungsalgorithmus angewandt, um Wohnquartiere mit ähnlichen Mietniveaus zu einer gemeinsamen „Wohnlage“ zu aggregieren. Eine realitätsnahe Übertragung auf weitere Städte wurde dadurch angestrebt.

Das Wohnquartier als „gemeinsamer Nenner“ zur Erklärung von Mietunterschieden

„Es ist elementar, wissenschaftliche Einschätzungen auf Basis von validem Datenmaterial zu treffen. Die feinräumigen Daten von Nexiga beinhalten wichtige Indikatoren, mit denen der Einfluss der Lage auf die Miete geschätzt und inhaltlich analysiert werden kann. Die Umfelddaten auf Wohnquartiersebene konnten zur Erklärung von Mietunterschieden innerhalb einer Stadt einen wesentlichen Beitrag leisten.”

Das Ergebnis

Genauere Mietschätzungen durch Lageberücksichtigung

Der Einsatz von Umgebungsdaten konnte den Anteil der Varianz der Quadratmetermieten, der durch das Modell erklärt wird, um ca. 11 % Punkte erhöhen, von durchschnittlich ca. 35 % auf ca. 46 %. Bezogen auf die Gesamtmieten ließen sich sogar ca. 86 % der Varianz erklären.

 

Neben den genaueren Mietschätzungen selbst bewiesen sich auch die geschätzten Koeffizienten der Sozialindikatoren als sinnvoll. In fast allen Modellen entsprachen diese im Vorzeichen den erwarteten Effekten (hiermit ist der positive Effekt der Kaufkraft und der negative Effekt der Arbeitslosigkeit gemeint). Zum überwiegenden Teil haben sie sich sogar in der Untersuchung als signifikant erwiesen. Eine wichtige Erkenntnis also, um derartige Einschätzungen als solide und aussagekräftig einzustufen.

 

Ein wesentlicher Vorteil im Zuge der Vergleichbarkeit lag zudem in der Clusterung der Nexiga-Wohnquartiere. Durch sie ist es erst gelungen, Gebiete mit vergleichbarer „Lagequalität“ zu bilden – diese erscheinen beispielsweise geeignet, um die in der Praxis häufig zu beobachtenden Experteneinschätzungen (z. B. durch den Gutachterausschuss) zu stützen.

Abb. „Relative Bedeutung der Indikatoren“ – Die Hinzunahme der drei Indikatoren (Datenmerkmale) verbessert den R²-Wert des Modells. Diese Verbesserung lässt sich wie in der Grafik dargestellt auf die einzelnen Merkmale zurückführen.